Montag, 19. Oktober 2015

GUTE ZÄUNE - SCHLECHTE ZÄUNE



Ein Beitrag von Jörg Gebauer

Wer die Grenzanlagen des untergegangenen "Warschauer Paktes" mit dem von der Deutschen Polizeigewerkschaft geforderten Zaun und den baldigen Transitzonen an den südlichen Grenzen Deutschlands und Österreichs vergleicht, verlässt den demokratischen Grundkonsens. Solche Vergleiche sind populistisch, weil sie geschickt den Unterschied zwischen "Einsperren des eigenen Volkes" und "Schutz vor unerlaubter Einreise" verwischen. Es wird damit sowohl an ein kitschiges Zeitgeist-Gefühl angeknüpft; als auch sich zu Nutze gemacht, ein mehrheitlich vorhandenes (aber entschuldbares) Wissens-Defizit der gutmeinenden Bevölkerung.

Die meisten Bürger verstehen nämlich nicht, dass es einen gewaltigen Unterschied darstellt, ob ein Staat die Einreise oder ob er die Ausreise verbietet. Unüberlegt werden Vergleiche übernommen, die vorne und hinten hinken. Das Niederreißen des "Eisernen Vorhangs" und die Überwindung der Teilung Europas vor 25 Jahren ist politisch ein diametral anderer Vorgang als das heutige notwendige Schützen unserer Grenzen.

Denn: Endgültige Ausreise aus seinem bisherigen Staat ist ".e..t..w..a..s.. ..a..n..d..e..r..e..s." (auch übrigens unter 'geistigen', emotionalen und Identitäts-Aspekten) als die Einreise in einen fremden Staat.

Von Seiten der staatsphilosophischen "Natürlichen Freiheit" her betrachtet, ist jedem Menschen nämlich jederzeit die (endgültige oder vorübergehende) Ausreise zu gestatten. Dafür braucht es keine internationalen Verträge und erst recht nicht die UNO oder die EU.

Ein weiterer intellektuell unredlicher Vergleich ist derjenige zwischen den deutschen Vertriebenen von 1945 und den aktuellen Migranten: Die damaligen deutschen Flüchtlinge betraten kein fremdes Land. Es handelte sich nicht um eine Einreise ins Ausland. Die deutschen Flüchtlinge hatten gemäß der damals geltenden Verfassung (an welche die Behörden trotz der Kapitulation weiterhin gebunden waren, solange dies die Alliierten nicht ausdrücklich untersagten) das Grundrecht auf Freizügigkeit innerhalb Deutschlands. Ob dieses Deutschland nun zerbombt oder "überfüllt" war oder nicht, spielt dafür keine Rolle.

Das klingt zwar makaber. Aber dabei wird vergessen, dass dieses Grundrecht für Deutsche historisch auch gerade aus solchen Gründen ("Not") überhaupt entstanden war. Dies war nämlich auf die Situation der (gescheiterten) Revolution von 1848 sowie auf deren sozialökonomische Vor- und Nachgeschichte zurückzuführen.

Wie sieht es nun mit der "Einreise von Ausländern" aus?


Von Seiten der staatsrechtlichen "Republikanischen Freiheit" (Rousseau) hingegen hat jeder Staat - und das ist international unangefochten - das Recht, die Einreise fremder Staatsbürger zu verhindern. Nach traditioneller, klassisch-liberaler Staatstheorie braucht er hierfür keinerlei Begründung.

Unser deutsches Asylrecht - und nicht etwa irgendein "Reiserecht" für Ausländer - haben wir Deutsche als ganz besondere Note in der Verfassung verankert. Und zwar, weil wir dies so wollten und wollen.

Wohlgemerkt : Wir wollen dies für wirklich politisch Verfolgte. Definitiv wollen wir dies nicht für einen jeden Weltenbürger, der erst einmal nur behauptet, politisch verfolgt zu sein.

Jede Überdehnung des Asylrechts, jeder Missbrauch ist letztendlich ein Schlag ins Gesicht der wirklich Verfolgten. Wer mit einem nicht existierenden "Einreiserecht" für Ausländer rumhantiert, untergräbt nicht nur das Asylrecht, sondern er beweist damit, dass er politisch, juristisch und moralisch ein Amateur ist.

Um zum Eingangssatz zurück zu kommen: Die Vergleiche zwischen "Berliner Mauer" und Transitzonen sowie das Verwischen der Unterschiede zwischen "Einreise" und "Ausreise" verletzen deswegen den demokratischen Grundkonsens, weil sie die Maxime der klassisch liberalen Staatstheorie verletzen.

Diese Maxime stehen vor der Klammer unserer Verfassung. Dies hat der ursprüngliche Verfassungs-Gesetzgeber - der "Parlamentarische Rat" - 1949 ausdrücklich in seinen Beratungen protokolliert sowie in der Präambel des Grundgesetzes manifestiert mit der Formulierung: "Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor den Menschen". Dieser verkürzte (zu Recht, weil sonst überladene) Term sollte bewusst die Staatsphilosophie von Hobbes bis Hegel als grundlegend, notwendig (jedoch nicht hinreichend) und unabdingbar zur Basis des modernen Verfassungs-Staates machen.

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