Die Bundesbank ist dagegen, die Deutschen lieben ihr Bargeld. Doch sie werden akzeptieren müssen, dass der Staat sie bald auf Schritt und Tritt kontrollieren kann - und ihnen vorschreibt, was sie kaufen können.
Experten forcieren die Abschaffung des Bargelds. Vor allem die Notenbank würde von einem bargeldlosen Zahlungsverkehr profitieren. Gerald Mann, Professor an der FOM Hochschule in München, veröffentlicht nun ein Buch zu diesem Thema. Die Redaktion hat vorab mit dem Geldexperten gesprochen.
Professor Dr. Gerald Mann ist Professor für Volkswirtschaftslehre und Studienleiter Bachelor an der FOM Hochschule in München |
Gerald Mann: Die Bargeldabschaffung wird sicher nicht sofort kommen. Eine schrittweise Abschaffung halte ich hingegen für sehr wahrscheinlich.
Redaktion: Wer treibt diese Abschaffung voran?
Mann: Ich bin bei einem Vortrag des US-Ökonomen Kenneth Rogoff in München hellhörig geworden. Er hat dort die Abschaffung des Bargelds propagiert. Finanzinstitutionen, vor allem solche, die am bargeldlosen Zahlungsverkehr verdienen, unterstützen diesen Vorstoß. Das ist ja klar: Wenn eine Zahlungsvariante, mit der ich konkurriere, abgeschafft wird, kann ich meine Gewinnmarge deutlich erhöhen. Was die Politik angeht, so haben bereits einige Länder Höchstbeträge eingeführt, bis zu denen mit Bargeld bezahlt werden kann. So sollen Schwarzarbeit, organisierte Kriminalität und Steuerhinterziehung bekämpft werden.
Redaktion: Wie ist die Stimmung in Deutschland?
Mann: Die Bundesbank ist in Deutschland eine klare Befürworterin des Bargelds. Sie erkennt, dass die meisten Deutschen das Bargeld gerne verwenden.
Redaktion: Schweden gehört zu den Ländern, in denen das Bargeld bereits verschwindet. Wie sieht das aus?
Mann: Einige Bankfilialen geben gar kein Bargeld mehr aus, manche Geschäfte nehmen kein Bargeld mehr an. Dafür wird immer häufiger die Zahlung per Mobiltelefon verwendet. Manche Experten erwarten, dass in Schweden bis zum Jahr 2030 die bargeldlose Gesellschaft eingeführt werden kann. Der Staat hat Bargeld bisher allerdings noch nicht verboten, es wird nur immer ungebräuchlicher.
Redaktion: Warum liebäugeln Staaten und Wirtschaftswissenschaftler mit der Abschaffung des Bargelds?
Mann: Wir sind immer noch in der Staatsschuldenkrise und die Angst vor einem Bankrun ist unverändert aktuell. Dann wäre das Finanzsystem am Ende. Wenn es kein Bargeld mehr gibt, kann man dieses Szenario verhindern. Der zweite Grund ist, dass wir unser Geld ausgeben sollen. Die Negativzinsen der Zentralbanken sollen auch für den kleinen Mann gelten, damit der Konsum angekurbelt wird. Ein Angriff auf unsere gute Sparkultur.
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Redaktion: Warum sollte man am Bargeld festhalten?
Mann: Man stelle sich nur vor, welche Macht der Staat über seine Einwohner bekäme. Er könnte jede Transaktion überwachen. Wer politisch unliebsame Bücher oder Zeitschriften kauft, könnte sofort erkannt werden. George Orwell würde sich angesichts des ‚gläsernen Zahlers‘ verwundert die Augen reiben, weil es seine Erwartungen noch übertrifft.
Redaktion: Gibt es auch Vorteile einer bargeldlosen Gesellschaft?
Mann: Die Kosten eines bargeldlosen Finanzsystems sind geringer als bisher. Ich glaube aber nicht, dass diese Ersparnis von den Finanzinstituten an die Verbraucher weitergegeben würde. Und die Gefahr von Diebstahl würde sinken. Sonst sehe ich für die Bürger keine Vorteile.
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Redaktion: Welche Alternativen gäbe es, um dem Staat seine Ersparnisse vorzuenthalten?
Mann: Solange andere Volkswirtschaften Bargeld behalten, könnten Bürger auf diese Währungen zurückgreifen. Auch Edelmetallmünzen wären eine Alternative. In Argentinien sind nach dem Staatsbankrott im Jahr 2001 Gutscheinsysteme entstanden. In einzelnen Vierteln der Hauptstadt Buenos Aires wurden etwa Zahnbehandlungen gegen Klavierstunden getauscht. Auch in Deutschland gibt es bereits Regionalwährungen, etwa den Chiemgauer. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass solche Alternativen verboten werden, wenn sie bei den Bürgern zu beliebt werden.
Redaktion: Lockt ein Land, das all seine Ersparnisse virtuell aufhebt, nicht Hacker an?
Mann: Wer das Bargeld abschafft, dem muss klar sein, dass er sich anfällig macht für Cyberwarangriffe. Bei einem Stromausfall funktioniert elektronisches Zahlen nicht mehr. Die Menschen sind dann deutlich anfälliger für eine Panik. Allerdings bin ich kein Gegner von elektronischen Zahlungssystemen. Gewöhnliche Cyber-Kriminalität lässt sich beherrschen: Es wird einen Wettlauf zwischen Hackern und Firmen geben, der dazu führen wird, dass die Sicherheit steigt.
Zur Person
Professor Dr. Gerald Mann, Dipl.-Volkswirt, Dipl. sc. pol. Univ., Jahrgang 1968. Nach Abitur, Wehrdienst, Banklehre und erster Berufstätigkeit im Bankgeschäft studierte Mann Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und Politikwissenschaft an der Hochschule für Politik (HfP) in München. Anschließend wurde er Unternehmensanalyst in einer Großbank, dann Geschäftsführer und Berater im Verlagswesen. Er arbeitete als freiberuflicher Dozent und als Gastdozent in der VR China.
Mann promovierte an der Universität der Bundeswehr in München über internationale Handelspolitik und absolvierte ein Zusatzstudium in Erwachsenenpädagogik an der Hochschule für Philosophie München. Heute lehrt er als Professor für Volkswirtschaftslehre und Studienleiter Bachelor an der FOM Hochschule in München. 2012 erhielt er den BCW-Stiftungspreis für exzellente Lehre.
Er ist gemeinsam mit Ulrich Horstmann Autor des Buches "Bargeldabschaffung - Alles, was Sie über die Bargeldabschaffung wissen müssen". Es erscheint am 8. Juni im Finanzbuchverlag.
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