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Dieser Prozess gegen einen pädophilen wirft ein fahles Licht auf den Rechtsstaat: Eine Psychologin soll entscheiden, ob sich der Mann wirklich von seiner Neigung distanziert hat. Die Frage bleibt: Ist das überhaupt möglich?
Es ist eine dieser Anklagen an jenem Montagmorgen, bei der schon dem Staatsanwalt fast die Stimme versagt, als er sie verliest. Dann sitzt auch noch eine Berufsschulklasse im Zuhörerbereich, um der Amtsrichterin dabei zuzuhören, wie sie das Unfassbare in Paragrafen überführt. Ein 41-jähriger gebürtiger Landshuter steht vor Gericht, weil er 21 heftige Kinderporno-Videos und 149 Bilder, die widerliche Sexszenen mit unter 14-jährigen Mädchen zeigen, besessen hatte. Dabei war der Mann nicht zum ersten Mal vor Gericht. Bereits im Mai letzten Jahres wurde er verurteilt, damals hatte er die Kinderpornos aber selbst verbreitet.
Die Filme, um die es diesmal ging, zeigen Sexszenen von teilweise mehreren Männern mit kleinen Mädchen. „Ich habe vermieden, das anzusehen“, sagt sein Anwalt dann auch, als die Richterin die Fotos herzeigt. Auch dem Staatsanwalt bleibt die Spucke weg. „Es ist richtig, was in der Anklage steht“, sagt der gelernte Programmierer, der die Pornos in seiner Wohnung in Regensburg auf dem Rechner aufbewahrte. Weil dort auch 55 Gramm Gras einlagerten, wird ihm auch noch der Besitz der Droge vorgeworfen. Im Prozess macht es dann eigentlich keinen Unterschied mehr, ob es um Drogen oder um das Leid der Kinder geht, das auf den Bildern zu sehen ist.
Es geht um Paragrafen, Gutachten der Wirkstoffmenge des Grases – und darum, wie sich der Mann verkauft. „Ich finde, die Therapie läuft sehr gut für mich, ich fühle mich sehr viel freier. Ich fühle keine Versuchung mehr, Straftaten nachzugehen. Die Therapeutin hat mich dazu gebracht, mein Leben anders zu betrachten und anders mit mir umzugehen“, sagt der Angeklagte. Das Wort „Kinderpornografie“ nennt er dabei nicht. Gesucht hat er sich die Therapeutin selbst über das Telefonbuch. Die Qualifikation der Frau überprüft niemand. Könnte sie erkennen, wenn der Mann rückfällig wird? Geht eine Gefahr von ihm aus? All das spielt in dem Amtsgerichtsprozess überhaupt keine Rolle. Seit März 2014 ist der Mann in Psychotherapie, einmal pro Woche. Den Bewährungshelfer hatte man abgeschafft, weil das „zweigleisig“ sei.
Die Psychologin kommt dann auch im schicken Kostüm und muss nur wenige Worte über den Mann verlieren. „Ich kann bestätigen, dass er alles tut, was nötig ist, damit die Therapie erfolgreich ist. Ich bin zufrieden mit dem Ablauf und mit seiner Motivation, ich bin zufrieden damit, wie er Psychotherapie versteht“, sagte die 64-Jährige. Wenigstens der Staatsanwalt fragte kritisch nach: „Woran machen Sie das denn fest, dass er die Therapie ernsthaft betreibt?“ Die Psychologin stotterte: „Er leidet ja auch darunter. Er hat Schritte unternommen, sein Leben in den Griff zu bekommen.“ Mehr Fragen hat der Staatsanwalt nicht. Kein Wort darüber, warum der Mann sich heftige Bilder und stundenlanges Filmmaterial von Mädchen ansah, die deutlich jünger als 14 Jahre waren. Die sich Gegenstände einführen mussten, ja die teilweise von mehreren Männern gleichzeitig missbraucht wurden.
2.000 Euro an das Kinderheim als Strafe
Der Staatsanwalt war in seinem Plädoyer sicher, dass der Mann sich „reuig“ zeigt. Doch die „nicht ganz unerhebliche Menge an Bildmaterial mit einer Gesamtspieldauer von zwei Stunden ist natürlich zu Ihren Lasten zu werten.“ Er forderte eine Gesamtstrafe von einem Jahr und fünf Monaten. Die Strafe könne weiterhin zur Bewährung ausgesetzt werden, war sich der Staatsanwalt sicher. Eine Geldauflage „von 2.000 Euro zugunsten eines Kinderheimes halte ich für angemessen, um das Unrecht hier auch im Gedächtnis zu behalten.“ Die Richterin sorgte sich noch kurz darum, ob die Therapie eine finanzielle Belastung für den Mann sei: „Nein, das zahlt die Krankenkasse“, sagte der Mann.
„Ich wusste, dass das, was ich tat, verboten war, und ich habe trotzdem so einen Mist gemacht“,
schloss der Angeklagte. Wieder nennt er das Wort „Kindesmissbrauch“ nicht.
Dementsprechend milde fiel auch das Urteil aus: Die Richterin verurteilte den Mann tatsächlich zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten, ausgesetzt zur Bewährung. Nun liegt es ganz bei der Psychologin, ob der Mann tatsächlich nicht mehr straffällig wird …
KOMMENTAR
Das ist doch krank!
Das Verfahren gegen einen 41-jährigen Programmierer vor dem Amtsgericht Regensburg ist erschreckend: Weniger, weil der Mann erneut zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Das Leid der Opfer, die auf den Videos und Bildern zu sehen waren, sind dem Gericht kein Wort wert. Erschreckend ist, dass niemand davon auszugehen scheint, dass ein Mensch, der sich solche Filme ansieht, krank ist. Dabei wäre er in einer Psychiatrie unter Aufsicht von Fachpersonal deutlich besser aufgehoben. Stattdessen kann sich der Mann selbst eine Psychologin suchen, deren Eignung bei der Behandlung von Pädophilen zumindest fragwürdig erscheint. Am Ende bleibt die Frage: In welchem Rechtsstaat leben wir eigentlich?