Die ukrainische Gemeinde in Frankfurt sammelt für Kämpfer im Krieg gegen die russischen Separatisten. Unterstützt werden offenbar auch rechtsextreme, ukrainische Milizen.
Von hr-Reporter Volker Siefert:
Ernst-Detlef Flos traute seinen Augen nicht: Als der Pfarrer der evangelische Cyriakusgemeinde in Frankfurt-Rödelheim den Weihnachtsgottesdienst vorbereite, fand er in der Sakristei eine Spendenbox mit der Aufschrift "Für die ukrainische Armee". Pfarrer Flos ist entsetzt. "Es geht nicht, dass in unserer Kirche für kriegerische Zwecke gesammelt wird", sagt der überzeugte Pazifist. Der Urheber der Sammelaktion war schnell ausgemacht.
Ukrainer sammeln für Freiwilligenbataillone
Die Cyriakusgemeinde ermöglicht Ukrainern gelegentliche Gottesdienste. Als Flos beim Dekanat der ukrainisch-orthodoxen Kirche in Deutschland nachfragt, antwortet die:
"Es handelt sich um durchgeführte Sammlungen, für eine ausdrücklich nicht-letale Unterstützung (!) jener Freiwilligenbataillone der ukrainischen Regierung (...) die haushoch den in ihre Heimat eingedrungenen russischen Streitkräften und Terrorkommandos, unterlegen und ausgeliefert sind".
Aufgezählt werden in dem Schreiben Sachspenden, wie wärmende Kleidung, Schuhe, Schutzkleidung, Medikamente, Verpflegung oder Trinkwasser. Es ist nicht die einzige Sammelaktion für die ukrainischen Armee in Hessen.
Schutzwesten und Helme für Ukrainer
Wer sich in den sozialen Medien umschaut, findet auch diverse Initiativen von privaten Personen, die Kleidung oder Lebensmittel für die zahlreichen durch den Krieg vertriebenen Zivilisten sammeln und in die Ukraine bringen. Der Frankfurter Verein Oboz (Nachschub) hat sich sogar eigens für diesen Zweck gegründet.
Die Grenzen zwischen ziviler Hilfe und Unterstützung militärischer Einheiten sind dabei fließend. Auf der Homepage der ukrainischen Gemeinde in Frankfurt fand sich bis vor kurzem ein Spendenaufruf für "Personenschutz-Artikel wie Schutzwesten und die Helme". Dieser Eintrag ist dort inzwischen nicht mehr zu finden. Ebenso wie ein Foto mit Helmen und Schutzwesten, das offensichtlich als Beleg für eine Spende gedacht war.
Militärische Ausrüstungen, die zum Schutz von Soldaten dienen, benötigen in Deutschland eine Ausfuhrgenehmigung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Eschborn. Üblicherweise werden sie für Kriegsgebiete nicht erteilt.
Hilfslieferungen für rechtsextreme Miliz?
Auf der Seite der Gemeinde fanden sich bis vor kurzem auch Fotos von der Übergabe von Hilfsgütern im Sommer vergangenen Jahres an das Bataillon Zoloti Worota auf dem damals noch umkämpften Donezker Flughafen. Das Bataillon gehört ebenso wie die bekannteren Bataillione Ajdar oder Azov zu den wegen ihrer ultra-nationalistischen Einstellung umstrittenen militärischer Einheiten.
Ein weiterer Eintrag auf der Facebook-Seite der Gemeinde dokumentiert die Übergabe von Hilfsleistungen an Kämpfer des sogenannten Rechten Sektors. Eine Gruppierung, die in der Vergangenheit durch ihre anti-semitische und rassistische Ideologie aufgefallen ist. Diese Miliz untersteht nicht der Führung durch die ukrainische Armee.
"Diese bewaffneten Gruppen tragen mit dazu bei, dass die Politik in der Ukraine im Laufe des Krieges immer stärker militarisiert wird", fürchtet der Historiker Tarik Cyril Amar von der Columbia Universität New York. Zwar seien sie lose an die demokratisch bestimmte Politik der Regierung gebunden. Aber im Falle einer militärischen Niederlage könnten sie eine für die junge ukrainische Demokratie gefährliche Sprengkraft entwickeln.
Keine Reaktion von ukrainischer Gemeinde
Der Vorsitzende der ukrainischen Gemeinde in Frankfurt reagiert auf Interview-Anfragen zu den politischen Hintergründen der Hilfsaktionen nicht. Vielleicht hat das mit seiner Rolle in der Svoboda-Partei zu tun. Er wird bei der rechtsextremen ukrainischen Partei als der Vorsitzende des deutschen Ablegers geführt. Seine gleichlautende E-Mail-Adresse ist inzwischen abgeschaltet.
Bei einem Gespräch hat die Cyriakusgemeinde den Ukrainern inzwischen untersagt, in ihrer Kirche für kriegerische Zwecke zu sammeln. Ein neuer Passus im Mietvertrag soll das regeln. Was die Gemeinde außerhalb der Kirche macht, stand nicht zur Debatte.
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