Sonntag, 17. Mai 2015

DEUTSCHLAND BRAUCHT KEINE KILLERDROHNEN



Ein Beitrag von Jürgen Todenhöfer


Liebe Freunde, der US-Drohnenkrieg ist Staats-Terrorismus. Mitgesteuert aus Ramstein, Deutschland. Unsere Regierung macht sich strafbar, wenn sie das zulässt. Und begibt sich auf einen Irrweg, wenn sie morgen (!) den Startschuss zur Produktion eigener Killerdrohnen gibt. Unsere Kinder werden in einer eiskalten, mörderischen Welt leben, wenn wir diese Entwicklung nicht stoppen.

90% DER DROHNEN-OPFER SIND UNSCHULDIGE


Der pakistanische Opfer-Anwalt S. Akbar, mit dem ich kürzlich telefonierte, sagte glasklar: 


"Mehr als 90% der über 40 Opfer der Drohnenangriffe auf Waziristan seit Januar 2005 waren gar nicht Ziel des Angriffs, sondern sog. Kollateralschäden". 

Nur ein (!) viertrangiges, unbekanntes Al Qaida-Mitglied wurde ausgeschaltet. Die Anderen hatten halt Pech.

Vor kurzem musste sich US-Präsident Obama öffentlich dafür entschuldigen, dass bei einem Drohnenangriff im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet versehentlich auch eine amerikanische und eine italienische Geisel getötet wurden. Für die mehreren tausend pakistanischen und afghanischen zivilen Drohnenopfer hat er sich nie entschuldigt. Westliches Blut ist offenbar wertvoller. Und Charakter Glückssache.

Wenn wenigstens unsere Regierung Charakter hat, muss Außenminister Steinmeier den US-Botschafter einbestellen und ihm klar machen, dass von Deutschland aus keine illegalen Tötungen mehr durchgeführt werden. Sonst sind wir kein Rechtsstaat mehr. Gleichzeitig muss der "Stationierungsvertrag" veröffentlicht werden, um sicherzustellen, dass die USA in Deutschland die deutsche Verfassung zu respektieren haben. Oder um ihn zu kündigen. Der Drohnenkrieg aus Ramstein ist längst ein Fall für deutsche Staatsanwälte. Doch wer legt sich schon mit den USA an?

US-Politiker lieben Drohnen. Sie ermöglichen es, risikolos angebliche Feinde zu töten, ohne dies Krieg oder Todesstrafe zu nennen und sich mit Kongress, Völkerrecht, Anwälten, Gerichten und Medien lange herumschlagen zu müssen.

Die US-Regierung hat die Verantwortung für Drohnenangriffe der CIA übertragen, deren Agenten früher oft persönliche Gefahren eingehen mussten, um vermutete Staatsfeinde gezielt zu ermorden. Drohnen nehmen den Agenten jetzt bei ihren illegalen Tötungen jedes Risiko ab. Im Kern sind Kampfdrohnen außergerichtliche Hinrichtungsgeräte der Geheimdienste. Fliegende Guillotinen.

DIE ABHÄNGIGKEIT VON BEZAHLTEN SPITZELN


Die Fehlerquote der Drohnenschläge ist aus vielen Gründen extrem hoch. Zum einen, weil die bezahlten Spitzel am Boden den US-Fahndern oft unschuldige persönliche Feinde oder Konkurrenten als Terroristen melden. Hochrangige Al Qaida-Figuren zu nennen ist ihnen viel zu gefährlich.

Dieses "Spitzel-Problem" wird kein Killerdrohnen-Staat der Welt je unter Kontrolle bekommen. Zu verführerisch ist es für manche Leute, ihre persönlichen Gegner diskret durch amerikanische Drohnenschläge "wegräumen" zu lassen. Und dafür auch noch Geld zu bekommen. Unsere Berliner Politiker haben das bis heute nicht kapiert. Sie waren ja auch noch nie in Waziristan. Sie kennen die massive Abhängigkeit der Drohnen von gekauften zwielichtigen Spitzeln gar nicht.

Zum anderen steigt die Fehlerquote dadurch, dass bei sogenannten programmierten Drohnenschlägen ("signature strikes") schon vage beschriebene Tätigkeiten und Verhaltensweisen als terrorverdächtig gelten. Das führt zu grotesken Fehlbeurteilungen.

So töteten am 24.10.2012 "programmierte Drohnenschläge" in Nord-Waziristan die 67-jährige Großmutter Momina Bibi beim Okraschoten-Pflücken auf ihrem Gemüsefeld. Mehrere ihrer Enkel wurden verletzt. Die Drohne hatte 'angenommen', Momina Bibi vergrabe gerade einen Sprengsatz.

Doch derartige Verbrechen interessieren US-Politiker nicht wirklich. Als Mominas Sohn Rafiq, zusammen mit zweien seiner Kinder, vor dem US-Kongress die Tragödie seiner Familie schilderte, waren lediglich 5 Abgeordnete anwesend. Nur der Übersetzer weinte.

Noor Behram ist weltweit der einzige Fotograf, der in Waziristan Drohnen-Opfer fotografieren darf. Er hat unzählige Drohnen-Tote gesehen. Und Schwerverletzte. Bitter sagte er mir im Juni 2014 in Islamabad, er gehe bei den damals 3.500 pakistanischen Drohnen-Toten von maximal 30 relevanten 'Militanten' und 60 unbedeutenden Fußsoldaten aus. Weit über 90 Prozent der Getöteten seien Zivilisten, Unbeteiligte sagte er mir. Alle anderen Zahlen seien Propaganda-Märchen. Für die Drohnenschläge im Jemen, in Somalia usw. gilt dasselbe.

WIR BRAUCHEN INTELLIGENTERE POLITIKER


Trotzdem plant jetzt auch Deutschland zusammen mit Frankreich und Italien die Entwicklung einer kampffähigen Drohne. Morgen (Montag) soll der hierzu erforderliche Vorvertrag unterschrieben werden. Die Bundesregierung begibt sich damit auf einen gefährlichen Irrweg. Vielen unschuldigen Zivilisten wird diese Entscheidung eines Tages das Leben kosten.

Die Befürworter von Drohnen behaupten, Drohnen schützten das Leben unserer Soldaten. Das ist ein Denkfehler. Das Leben der Soldaten schützt man am besten dadurch, dass man Kriege erschwert und durch Verhandlungen überflüssig macht. Nicht aber dadurch dass man Kriege erleichtert.

Drohnenangriffe sind Terrorzuchtprogramme, die am Ende auch unsere Soldaten, unsere Zivilbevölkerung und unsere gesamte Werteordnung gefährden. Wenn auf der ganzen Welt Killerdrohnen eingesetzt werden, wird es weltweit immer mehr Terroristen geben. Unsere Terroristen-Jäger merken noch immer nicht, dass sie Terroristen-Züchter sind.

Ich bin für starke, moderne Streitkräfte zur Verteidigung (!) unseres Landes. Damit potentielle Feinde nie auf dumme Gedanken kommen. Aber nicht, um Angriffskriege zu führen. Zur Verteidigung braucht Deutschland keine Killerdrohnen.

Ich weiss, man kann die Modernisierung von Waffensystemen nicht aufhalten. Aber man kann versuchen, Waffen zu ächten, die gezielt rechtswidrige Angriffe erleichtern oder besonders abscheulich sind. Beispiele: Das Verbot von Chemiewaffen, biologischen Waffen, Landminen, Streubomben. Kampffähige Drohnen sollten als Nächstes auf die Ächtungsliste und nicht auf die Liste der großen neuen Militärprojekte der Bundesregierung.

Wir sollten daher nicht nur die illegalen US-Drohneneinsätze von Ramstein verhindern, sondern Killerdrohnen generell verbieten. Auch deutsche. Auf einer von der UNO organisierten Rüstungskontroll-Konferenz. Man muss nicht alle Waffen einsetzen, die das Töten vereinfachen.

Drohnen erleichtern den Krieg und werden zum eiskalten, automatisierten Roboterkrieg führen. Viel wichtiger als intelligentere Waffen wären intelligentere Politiker. Doch danach wird nicht geforscht.

Euer JT

Mehr auf: www.juergentodenhoefer.de

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