Der Ventilwächter wird auf das Ventil aufgeschraubt und dann mit einem Schlüssel gesichert. Bild dpa |
mit einem Kommentar von Peter Kurz
Die Einzugsstelle der Sender darf städtische Vollstreckungsbeamte beauftragen. Diese machen mit drastischen Methoden Druck.
Düsseldorf. Ventilwächter heißt es offiziell, Plattmacher könnte man es auch nennen – das kleine Teil, das ein Autofahrer im niederrheinischen Willich kürzlich an seinem Autoreifen entdeckte. Dazu an der Autoscheibe einen Pfändungsbeschluss. Der auf das Reifenventil montierte und dann mit dem vom Hersteller mitgelieferten Schlüssel abgeschlossene Ventilwächter funktioniert so: Der Reifen, sollte er in Bewegung gesetzt werden, verliert Luft. Ab etwa 600 Meter Fahrweg, so sagt es der Hersteller, „macht die zunehmende Lenk-Erschwernis ein kontrolliertes Weiterfahren unmöglich und zwingt den Dieb, das Fahrzeug abzustellen“.
Wer den Beitrag nicht akzeptiert, muss Widerspruch einlegen
Nun war es hier aber nicht der Dieb, der am Fahren gehindert wurde, sondern der Halter des Wagens. Der hatte die Zahlung des Rundfunkbeitrags verweigert. Montiert worden war der Ventilwächter von der Stadtkasse. Diese wiederum war beauftragt worden vom „Beitragsservice“ der Rundfunkanstalten. Der hieß früher Gebühreneinzugszentrale und macht im Prinzip nichts anderes als diese – er zieht die Rundfunkbeiträge (17,50 Euro pro Monat) ein.
Aber wie kann das sein, dass der Beitragsservice der Sender das Geld bei Weigerung des Bürgers nicht erst einmal einklagen muss? Und wieso treibt die Stadtkasse das Geld ein?
Die Rundfunkanstalten sind Anstalten des öffentlichen Rechts. Als solche müssen sie ihre Ansprüche nicht klageweise geltend machen, sondern ziehen den Rundfunkbeitrag per Bescheid ein. Der Nürnberger Rechtsanwalt Jakob Heinrich Tschuschke, der etwa 100 Mandanten im Streit um Rundfunkbeiträge vertreten hat, erklärt die Gegenwehr: „Gegen den Bescheid kann man innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Das hat aber keine aufschiebende Wirkung.“ Der Beitrag muss trotz laufenden Verfahrens zunächst bezahlt werden.
Der Beitragsservice der Rundfunkanstalten muss also nicht wie ein zivilrechtlicher Gläubiger ein Urteil erstreiten, um erst danach Vollstreckungsmaßnahmen einzuleiten. Tschuschke: „Der Bescheid ist, wenn er nach einem Monat ohne Widerspruch bestandskräftig geworden ist, die Grundlage für die Vollstreckung.“ Der Beitragsservice könne Amtshilfe etwa der kommunalen Vollstreckungsbehörden in Anspruch nehmen. Tschuschke sieht es skeptisch, wenn wegen des Rundfunkbeitrags ein Auto gepfändet wird, das viele für den Weg zur Arbeit benötigen.
Auf einen anderen auch für die vollstreckenden Behörden kritischen Aspekt macht der Hersteller aufmerksam, der die Ventilwächter für 40 Euro verkauft: „Der Blockierer hat dafür Sorge zu treffen, den betroffenen Fahrzeugführer in geeigneter Weise auf die Blockierung seines Fahrzeugs hinzuweisen, um ihn vor Schaden und Gefahren zu schützen.“ Um nicht einen Unfall zu provozieren, muss schon ein deutlich sichtbarer Hinweis am Auto befestigt sein. In dem Willicher Fall hatte das Vollstreckungspersonal der Stadtkasse eine solche Warnung an der Autoscheibe befestigt.
Fast 900 000 Mal pro Jahr wird bei säumigen Zahlern vollstreckt
Die Vollstreckung ist freilich nicht Sache des Beitragsservice der Rundfunkanstalten, sondern Angelegenheit der um Amtshilfe gebetenen Stadtkasse. Wie häufig kommt es eigentlich zu Vollstreckungsverfahren in Sachen Rundfunkbeitrag? Christian Greuel, Sprecher des Beitragsservices in Köln: „Im vergangenen Jahr stellten die Rundfunkanstalten bundesweit 890 912 Vollstreckungsersuchen bei den zuständigen Behörden.“ Zuvor werde aber in einem mehrstufigen Mahnverfahren versucht, darauf hinzuwirken, dass der Rundfunkbeitrag rechtzeitig entrichtet wird. Auf die Zahlungserinnerung folgen weitere Schreiben wie Beitragsbescheide oder eine „Mahnung“. Erst die letzte Stufe des Mahnverfahrens sei das Vollstreckungsersuchen.
Bezogen auf die Gesamtzahl aller 44,5 Millionen Beitragskonten bewege sich der Anteil derer, die das gesamte Mahnverfahren durchlaufen haben, ohne eine Zahlung zu leisten, im unteren einstelligen Prozentbereich.
Den Rundfunkanstalten, so betont Greuel, sei grundsätzlich an einer gütlichen Einigung mit dem jeweiligen Beitragszahler gelegen. So sei es beispielsweise während des Mahnverfahrens jederzeit möglich, den Beitragsservice zu kontaktieren und eine Ratenzahlung oder Stundung zu vereinbaren. Wichtig und ratsam sei es in jedem Fall, sich auf Schreiben des Beitragsservice zu melden und die Briefe nicht zu ignorieren. Beitragszahler sollten zudem prüfen, ob Sie abgemeldet oder befreit werden können oder der Rundfunkbeitrag ermäßigt werden kann.
Quelle: Westdeutsche Zeitung
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