Dienstag, 29. September 2015

Von den USA ausgebildete syrische Rebellen übergeben ihre Waffen an al-Nusra


Artikel von: lavassani

Das Pentagon verstrickt sich mit dem 500-Millionen-Dollar-Programm zur Ausbildung und Ausrüstung "gemäßigter" syrische Kämpfer als Bodentruppen zur Unterstützung des Luftkriegs gegen den Islamischen Staat immer weiter.

Hatte CentCom-Kommandeur General Austin letzte Woche vor einem Senatsausschuss noch einräumen müssen, dass von den 54 fertig ausgebildeten und mit Waffen ausgestatteten Kämpfern nur "4-5" aktiv in Syrien seien, so schob man korrigierend am letzten Freitag nach, dass es aber doch 9 seien, die noch in Syrien kämpfen würden. Ein paar wären noch in der Türkei, der Rest habe sich anderen Gruppen angeschlossen oder sei abgetaucht. Die Waffen wären aber sichergestellt, betonte der CentCom-Sprecher.

Offenbar war man die Erhöhung von 5 auf 9 Kämpfer als Ergebnis des teuren Programms, das in diesem Jahr bereits 3000 Kämpfer in den Krieg gegen den IS, aber nicht gegen Assad schicken sollte, auch nicht wirklich zufrieden. Kurz danach wurde über Medien die Nachricht verbreitet, dass in der Nacht von Freitag auf Samstag angeblich 75 Kämpfer nach einer zweimonatigen Ausbildung von der Türkei nach Syrien in die Provinz Aleppo eingereist seien.

Erfolgsmeldung des CentCom


Eine offizielle Bestätigung dafür folgte schließlich am Montag. Das CentCom berichtete, dass 70 Graduierte des Programms erfolgreich nach Syrien eingedrungen seien und mit ihren Waffen und ihrer Ausrüstung als "Neue Syrische Streitkräfte" (NSF) gegen den IS kämpfen würden. Die NSF würde zusammen mit "überprüften" Oppositionsgruppen kämpfen und mit ihren vom US-Militär gelernten Fähigkeiten diese größeren Gruppen von syrischen Kurden, sunnitischen Arabern und anderen Anti-IS-Gruppen verstärken. Die NSF stehe nicht direkt unter dem Kommando der USA, aber werde von der US-geführten Koalition unterstützt.

Und dann wurde bekannt, dass man im Pentagon erwägt, bestehende syrische Oppositionsgruppen unterstützen und mit Waffen ausrüsten zu wollen, wohl auch deswegen, weil man nicht genügend Menschen findet, die sich im Dienst der USA und der Türkei in die wirre Kriegssituation schicken lassen wollen, in der über die großen Spieler, der syrischen Armee mit den Hisbollah-Milizen, den Kurden und dem Islamischen Staat, einige große und zahllose kleine bewaffnete Gruppen gegeneinander kämpfen und miteinander koalieren. Schon im Juni wurde bekannt, dass von 2500 Bewerbern, die eine erste Phase des Trainings durchlaufen hatten, nur 1.500 weitermachen wollten. Gerade einmal 200 sollen dann in die Trainingslager in der Türkei und in Jordanien gekommen sein. Davon blieben dann die 54 übrigen, nachdem die übrigen sich weigerten zu beurkunden, dass sie nicht gegen die syrische Armee kämpfen werden, oder weil ihre Namen nicht mit denen auf der ursprünglichen Liste übereinstimmten.

Zudem hat man ja bereits Erfahrung mit solchen Gruppen etwa mit den Taliban und al-Qaida, die in Afghanistan gegen die Russen kämpften. Man könnte sich also die Ausbildung schenken und auch die angeblich langwierigen Prüfungsroutinen zur Feststellung der "gemäßigten" Einstellung, indem man gleich mit Führern solcher bewaffneter Gruppen zusammenarbeitet. Das hat man bislang nicht offen gemacht, weil die erfolgreicheren Gruppen islamistisch sind oder wie al-Nusra zu al-Qaida gehören. Nach dem Medienbericht denkt man an eine "syrisch-arabische Koalition", wobei es sich vermutlich Jaish al-Fatah handelt, die al-Qaida nahesteht und teilweise mit al-Nusra auch koaliert.

Nach anderen Informationen scheint das Pentagon in Syrien zunehmend auf die Kurden der YPG-Milizen zu setzen, ähnlich wie man im Nordirak die Peshmerga mit Ausbildung und Ausrüstung unterstützt. Die YPG wurde bislang schon mit Luftangriffen unterstützt, jetzt könnte es um so wichtiger werden. die kurdischen Kämpfer an sich zu binden, weil das eigene Programm gescheitert ist und die Russen und Iraner sich auch militärisch aktiver einmischen, um die syrischen Truppen als entscheidendes Element im Kampf gegen den IS im Spiel zu halten. Angeblich wird überlegt, den YPG-Truppen, die schon näher an Raqqa, der "Hauptstadt" des IS in Syrien, herangerückt sind, bei der Eroberung zu helfen. Dabei sollen die Kurden die Stadt abriegeln, während die sunnitische Kämpfer vermutlich im Wesentlichen vom Stamm al-Shamma um Qamishli , der mit den Kurden kooperiert, sie einnehmen.

Das Problem mit YPG ist, dass sie der PKK nahestehen, gegen die die Türkei wieder in den Krieg gezogen ist. Zudem will die Türkei verhindern, dass an der Grenze ein durchgehend von Kurden kontrolliertes Gebiet entsteht. Daher ist die Türkei interessiert, dass das Gebiet um Aleppo bis zur türkischen Grenze von zumeist syrischen islamistischen Gruppen kontrolliert wird, weswegen die ausgebildeten Kämpfer auch hierhin geschickt wurden und die Division 30 hier stationiert wurde. Zudem würde die Türkei hier gerne eine Flugverbotszone erreichten, wodurch eine kurdische Einnahme verhindert würde.

US-Waffen wurden von den vom Pentagon ausgebildeten Kämpfern an al-Nusra übergeben


Jetzt berichtet der Telegraph, dass das US-Programm noch schlimmer in die Hose ging, als bislang bekannt worden ist. Am Freitag versicherte der CentCom-Sprecher noch, dass sich die Waffen der in Syrien verschwundenen Kämpfer sicher bei einer nicht näher benannten "gemäßigten Oppositionsgruppe" befänden. Das könnte aber nicht der Wahrheit entsprechen. Angeblich haben die vom Pentagon in der Türkei ausgebildeten Kämpfer der Division 30 ihre Waffen und Ausrüstung sofort nach Grenzübertritt der al-Qaida-Gruppe al-Nusra übergeben. Gemeint sind damit offensichtlich die Kämpfer, die letzte Woche von Freitag auf Samstag auf die Schnelle nach Syrien geschickt wurden

Der Telegraph verweist etwa auf eine Twitter-Meldung von Abu Fahd al-Tunisi, einem Mitglied von al-Nusra, der schrieb: "Ein schwerer Schlag für Amerika …Die neue Gruppe der Division 30, die gestern gekommen ist, übergibt alle Waffen an al-Nusra, nachdem ihr sichere Durchreise garantiert wurde." Angeblich wurden neben Fahrzeugen auch Waffen und große Mengen an Munition übergeben. Auch aus anderen Quellen wird dies bestätigt. So verweistal-Qaida-Experte Charles Lister auf Berichte, nach denen der von den USA unterstützte Führer Anas Obaid die USA verraten habe. Obaid habe die USA ausgetrickst, um an neue Waffen heranzukommen. Al-Nusra hatte bereits die erste Gruppe der Division-30-Kämpfer angegriffen, in die Fluchtgeschlagen und vermutlich einige gefangen genommen.

Von dem wenig erfolgreichen Programm zeugt auch der Rücktritt des NSF-Stabschefs Mohammad al-Dhaher, der sich über die ungenügende Zahl von Rekruten und Kämpfern, unzureichender Versorgung und ungenauen Überprüfungen bei der Auswahl der Kämpfer beschwerte. Für ihn sei das Ausbildungsprogramm nicht "ernsthaft" gemeint.


(Quelle: www.heise.de)

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