Wir erinnern uns an den Juli 2014:
Scheinrechnungen, Briefkastenfirmen, Schmiergelder: Ein Geschäft zwischen EADS und Österreich über 15 Eurofighter war seit langem umstritten. Letztes Jahr verdichteten sich Hinweise, dass EADS dem Deal sogar mit Wirtschaftsspionage nachgeholfen haben könnte.
In der Affäre um den Verkauf von 15 Eurofightern nach Österreich sind Hinweise aufgetaucht, wonach bei dem lang umstrittenen 1,7-Milliarden-Euro-Geschäft womöglich Wirtschaftsspionage im Spiel war.
Bislang war in der Affäre vor allem die Rede von Schmiergeldzahlungen gewesen. Staatsanwälte in Deutschland und Österreich gingen dem Verdacht nach, der Luft- und Raumfahrtkonzern EADS (der inzwischen Airbus heißt) habe bei dem Verkauf von 15 Typhoon-Eurofightern an die Regierung in Wien kräftig nachgeholfen - mit Schmiergeld, unter Einsatz von Briefkastenfirmen und mit Scheinrechnungen. Dabei sollte es um mehr als 100 Millionen Euro gegangen sein.
Im Juni 2014 berichtete das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", dass EADS im Vorfeld des Österreich-Geschäfts im Jahr 2002 möglicherweise Einblick in Angebotsunterlagen des wichtigsten Konkurrenzunternehmens hatte.
Einem streng vertraulichen Bericht der Anwaltskanzlei "Clifford Chance" zufolge war ein inzwischen pensionierter Mitarbeiter der Innenrevision im Jahr 2007 bei EADS in Ottobrunn auf "10 bis 15 Leitz-Ordner" gestoßen, die offenbar Angebotsunterlagen des schwedischen Militärjet-Herstellers "Saab" enthielten.
Die Schweden waren seinerzeit die härtesten Konkurrenten bei dem Österreich-Deal. Der Revisor will damals einen leitenden EADS-Manager über seinen Fund informiert haben. Nach dem Wochenende seien die Akten jedoch nicht mehr an ihrem Platz gewesen, erzählte der frühere EADS-Revisor den Clifford-Anwälten. Der EADS-Manager erinnerte sich anders. Demnach habe es sich nur um "einige Papiere" gehandelt, die ein dritter, bei dem Gespräch anwesender Kollege "mit nach Hause" genommen habe.
In einer späteren Unterredung mit den Clifford-Chance-Ermittlern erklärte der Manager, es habe sich bei den Saab-Unterlagen lediglich um Angebote für Gegengeschäfte mit Österreich gehandelt. Die Papiere seien seither verschollen. EADS wollte den Vorgang mit Blick auf laufende Ermittlungen in dem Fall nicht kommentieren.
Maulwurf im Ministerium
Feedback und Zwischenbericht Juni 2015
Ein österreichischer Beamter hat EADS, heute Airbus, die Verhandlungstaktik seiner Chefs verraten.
Sein Verhalten sei "sicher nicht super" gewesen, sagte der Beamte des österreichischen Wirtschaftsministeriums, der vor einiger Zeit von seinem Arbeitgeber in der Causa Eurofighter vernommen worden war. Der Beamte, ein langjähriger Mitarbeiter, saß zwei Kollegen gegenüber, die ihm diverse Unterlagen vorhielten. Hier ein paar Mails, dort ein Ergebnisprotokoll, und noch einige weitere Papiere. Dokumente, die das Ministerium zum Teil als geheim betrachtet. Der Beamte sagte, er könne sich nicht mehr so genau an seinen Umgang mit diesen Unterlagen erinnern. Er gab aber nach Recherchen der österreichischen Zeitschrift "News" zu, diese Papiere in den Jahren 2003 bis 2006 dem Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS überlassen zu haben, der heute unter Airbus formiert. Das geht aus Unterlagen hervor, die auch derSüddeutschen Zeitung vorliegen.
EADS hat im vergangenen Jahrzehnt 15 Eurofighter-Kampfflugzeuge für 1,6 Milliarden Euro nach Österreich verkauft. Der Rüstungskonzern wusste dank des Maulwurfs, wie solche Informanten im Volksmund genannt werden, teilweise gut Bescheid über die Verhandlungsstrategie der Regierung in Wien. Dem Ministerialen dürfte sein "Geheimnisverrat" noch viel Ärger bereiten. Die Staatsanwaltschaft Wien hat gegen den Beamten ein Verfahren wegen Missbrauchs der Amtsgewalt eingeleitet. Solch ein Verbrechen wird laut österreichischem Strafgesetzbuch mit Gefängnis zwischen sechs Monaten und zehn Jahren geahndet. Auch Airbus muss mit Ungemach rechnen. Die Regierung in Wien könnte Schadenersatz fordern. Entschieden wird das nach Angaben des Wirtschaftsministeriums aber erst nach Abschluss der Ermittlungen.
Staatsanwälte in München und Wien gehen beim Eurofighter-Deal schon seit Jahren dem Verdacht nach, Beamte und Politiker in Österreich seien geschmiert worden. Mehr als 100 Millionen Euro, die EADS an teils dubiose Berater und Vermittler zahlte, sind nach Erkenntnissen der Strafverfolger in dunklen Kanälen versickert. Jetzt ist im Zuge der Untersuchungen auch noch herausgekommen, dass der Rüstungskonzern einen Informanten im Wirtschaftsministerium in Wien hatte. Vertreter von EADS hatten sich mit dem Ministerialen zu einer "informellen Besprechung" getroffen. Das war 2003.
Der Maulwurf lieferte wertvolle Tipps für anstehende Verhandlungen. EADS war damals gerade dabei, 18 Eurofighter an die Alpenrepublik zu verkaufen (am Ende waren es 15 Kampfflieger). Die Regierung in Wien verlangte im Gegenzug, dass EADS der österreichischen Industrie Aufträge aus aller Welt im Wert von vier Milliarden Euro beschafft. Da war es für EADS von Vorteil, bei diesen Gegengeschäften die Strategie des damaligen österreichischen Wirtschaftsministers Martin Bartenstein zu kennen. Dafür sorgte der Informant, der den EADS-Leuten am 3. April 2003 berichtete, was Bartenstein und dessen Vertraute drei Tage zuvor intern erörtert und festgelegt hatten.
Kurz darauf landeten die Insider-Informationen bei EADS-Managern in München. Die erfuhren, welche sechs "noch offenen Schlüsselpunkte" Minister Bartenstein wann ("nicht vor Ostern") und wie mit dem Konzern verhandeln wolle. Der Maulwurf verriet laut einem internen Vermerk von EADS sogar, welche Lösungen im Ministerium diskutiert würden und wie sich der Konzern in dem ein oder anderen Punkt nach Ansicht des geheimen Tippgebers mit "entsprechender Überzeugungsarbeit" durchsetzen könne. Wer der Informant war, ging aus diesen Unterlagen, die im Zuge der Ermittlungen gefunden worden waren, nicht hervor.
Der Geheimnisverräter war aber so unvorsichtig, EADS 2005 und 2006 weitere Unterlagen zu überlassen. Per Mail. Als das Ministerium und die Strafverfolger dieser Spur nachgingen, wurden sie fündig. Der Absender der Mails räumte bei seiner Befragung durch das Ministerium ein, den Rüstungskonzern auch schon 2003 mit Informationen versorgt zu haben. Der Beamte rechtfertigte sich, der Verhandlungspartner müsse schließlich wissen, was die Linie des Ministeriums sei, sonst könnten ja keine Ergebnisse erzielt werden. Das steht in einem Vermerk des Ministeriums über die Vernehmung des Staatsdieners.
1,6
Milliarden Euro haben die 15 "Eurofighter" gekostet, die Österreich ab 2007 von EADS erhielt. Wegen Sparmaßnahmen sind die Kampfflieger heute aber nicht mehr so oft in der Luft wie früher.
Der musste sich von seinen Kollegen, die ihn befragten, einiges vorhalten lassen. Die Weitergabe der internen Papiere habe "sehr wohl" geeignet sein können, die Verhandlungsposition von Minister Bartenstein zu schwächen. Und dann ist da noch die Frage, wie sich der Beamte bestimmte Unterlagen überhaupt verschafft hat. Er war von 2005 an gar nicht mehr zuständig gewesen für die Gegengeschäfte beim Eurofighter-Deal. Trotzdem versorgte er EADS bei mindestens drei Gelegenheiten weiter mit Informationen, darunter mindestens einmal mit einem Papier, das der "Geheimhaltung" unterlag. Nachzulesen ist das in der Notiz des Ministeriums über die Befragung des Beamten. Der sagte laut Vermerk, er könne sich nicht mehr erklären, wie er an diese Unterlagen gekommen sei.
Ansonsten verwies der Maulwurf auf sein "gutes Verhältnis" zu EADS, das nicht abrupt geendet habe. Was auch immer das heißen mag. Ganz generell rechtfertigte sich der Beamte mit dem Hinweis, es sei "üblich" gewesen, solche Informationen im Zuge der Verhandlungen auszutauschen. Auch die Airbus-Gruppe, wie EADS heute heißt, bezeichnet die damaligen Vorgänge als "normalen Informationsaustausch". Die Staatsanwaltschaft in Wien und das Wirtschaftsministerium sehen das anders. Disziplinarmaßnahmen hat der Beamte zwar wegen Verjährung nicht zu befürchten, aber das Strafverfahren läuft.
Das Ministerium hat den Beamten natürlich auch gefragt, ob der noch mehr vertrauliche Informationen an EADS gegeben habe. Der Maulwurf antwortete, er könne sich nicht mehr erinnern. Im Laufe der Jahre seien so viele Mails ausgetauscht worden.
- Im Fall Eurofighter geht es um den Verdacht, dass der Konzern EADS beim Verkauf von Kampfflugzeugen nach Österreich kräftig geschmiert hat.
- Nun führt eine Spur der Ermittlungen zu Alfons Mensdorff-Pouilly. Er gilt als einflussreichster Lobbyist in Österreich, vermittelt Rüstungsdeals und Staatsaufträge.
- Mensdorff-Pouilly sagt, er habe niemanden bestochen.
Er liebt den großen Auftritt. In Tracht, mit Lederhose, vor seinem Schloss Luising im Burgenland, im Osten Österreichs. In seiner Loge beim Ball in der Wiener Hofburg, umringt von Prominenz. Bei seinen Jagdgesellschaften, bei denen die Spitzen der Republik auf die Pirsch gehen. Alfons Mensdorff-Pouilly, 61, ein Mann von adeliger Abstammung und hohem Unterhaltungswert, weiß seine Gäste für sich einzunehmen.
Ein Vizekanzler soll mal über die Idylle in Luising mit den Worten geschwärmt haben, wenn er morgens aufwache, "gehen die Störche vor meinem Fenster spazieren". Der Landadelige, wie Mensdorff-Pouilly in Österreich genannt wird, gilt als der einflussreichste und schillerndste Lobbyist der Republik. Er vermittelt Kontakte und Geschäfte. Rüstungs-Deals, Staatsaufträge und anderes mehr.
Alles sehr lukrativ. Und manchmal ein Fall für die Justiz. Derzeit steht der Strippenzieher in einer Affäre um die österreichische Telekom wegen Beihilfe zur Untreue vor Gericht, er weist den Vorwurf zurück. Es ist sein zweiter, großer Prozess. Und dann gibt es da noch die Causa Eurofighter, in der Staatsanwälte in München und Wien wegen des Verdachts ermitteln, der europäische Rüstungs- und Luftfahrtkonzern EADS (heute Airbus) habe beim Verkauf von 15 Kampfflugzeugen für 1,6 Milliarden Euro nach Österreich kräftig geschmiert.
Eine erste Spur, die über die Karibik nach Österreich führt
Mensdorff-Pouilly zählt nicht zu den 16 Beschuldigten, aber seine Geschäfte werden gründlich durchleuchtet. 90 Millionen Euro, die EADS für Vermittlerdienste beim Eurofighter verteilen ließ, sind in dunklen Kanälen versickert. Vor allem in sogenannten "Steueroasen". Wo das viele Geld geblieben ist, weiß bisher keiner. Außer denen natürlich, bei denen es am Ende einer langen, schier undurchschaubaren Zahlungskette angekommen ist.
So läuft das erfahrungsgemäß bei großen Korruptions-Deals. War das auch beim Eurofighter so? Bei den verschwundenen EADS-Mitteln ist, nach Erkenntnissen der österreichischen Justiz, nun zumindest über den Verbleib von zwei Millionen Euro etwas mehr bekannt. Eine erste Spur, eine wenigstens, die über die Karibik nach Österreich führt. Das Geld landete bei einer Firma, für die Mensdorff-Pouilly als Treuhänder agierte.
Der Lobbyist will mit dem Eurofighter nie etwas zu tun gehabt haben. Doch diese zwei Millionen Euro hätten "nachweislich vom EADS-Konzern" gestammt, steht nach Recherchen des österreichischen Magazins News in einem öffentlich noch nicht bekannten Beschluss des Landesgerichts Wien vom Oktober 2014. Das Gericht hatte verfügt, dass im Fall Eurofighter viele bei verdächtigen Firmen und Personen beschlagnahmte Unterlagen auch ausgewertet werden dürfen. Der Beschluss und weitere Unterlagen liegen auch der Süddeutschen Zeitung vor.
"Die Sache stinkt, aber sie stinkt nicht genug"
Wie das Geld vom EADS-Stammsitz in München über viele Umwege nach Österreich kam und was Lobbyist Mensdorff-Pouilly damit angeblich machen ließ, das ist alles sehr merkwürdig. Noch dazu, da in alten Notizen seiner Beraterfirma MPA aus dem Jahr 2003 von "aggressiven Zahlungen von Erfolgsprämien an wichtige Entscheidungsträger" die Rede ist. In der Notiz heißt es weiter, dies habe damals zum Zuschlag für den Eurofighter geführt, mit dem sich EADS gegen heftige Konkurrenz durchgesetzt hatte. Die Bemerkung mit den "aggressiven Zahlungen" sei ein "kleines Durcheinander" gewesen, sagte Mensdorff-Pouilly vor zweieinhalb Jahren in seinem ersten großen Prozess, als er wegen Geldwäsche angeklagt war.
Der Lobbyist soll Millionenbeträge des Eurofighter-Partners BAE aus Großbritannien verteilt haben. An wen und für welchen Zweck, das fand die Justiz nicht heraus. "Die Sache stinkt, aber sie stinkt nicht genug", sagte das Gericht. Der prominente Angeklagte wurde freigesprochen, bis auf ein kleineres Delikt der Beweismittelfälschung.
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