Veröffentlicht am 6. Juni 2015 von conservo
Eine homophile Satire von Thomas Böhm *)
Ich war bereits 14 Jahre alt, als ich mich in einen Baum verliebte. Es war die schlanke, junge Birke in unserem Vorgarten, die mir in den Sommermonaten Schatten spendete und deren geschmeidige Bewegung im Wind mich so betörte. Ganz besonders hatte es mir aber ihr zartes, hübsches Astloch angetan. Es erinnerte mich ein wenig an die Zeit meiner Geburt.
Mein Vater, der ständig besoffen nach Hause kam und dafür von meiner dominanten Mutter verprügelt wurde, hatte kein Verständnis für meine offensichtliche Zuneigung und pinkelte provokativ vor meinen Augen gegen diese Birke, bis sie irgendwann ihre Blätter verlor und einging.
Nach Monaten der Trauer fasste ich mich wieder und machte mich auf die Suche nach anderen Astlöchern. Im nahe gelegenen Wald wurde ich dann auch schnell fündig, und so konnte ich mir einen wahren Harem an Astlöchern zulegen. Buche, Esche, Ahorn, Eiche und Kastanie – jeder dieser Bäume hatte eine erotische Überraschung für mich parat, so dass ich bereits in meiner Jugend sexuell ausgelastet war.
Mein Vater hatte dafür kein Verständnis, nannte mich eine Borkenschwuchtel, wenn er mal wieder besoffen war, sogar „Rindentunte“, und auch meine Mutter, die politisch eher linksgrün beschlagen war, hätte es lieber gesehen, ich wäre unter ihrer Obhut in die behaarten Arme anderer Männer, am besten älterer, reifer Männern gelaufen.
Sie schickte mich zu einem Psychotherapeuten, der allerdings mit meiner sexuellen Veranlagung keine Probleme hatte. Ein wirklich toller und toleranter Spezialist. Vielleicht auch deswegen, weil er ständig während unserer Sitzungen mit seinem Affen „Hoppe hoppe Reiter“ spielte und anschließend mit dem Spaten auf den Friedhof eilte – seine Lieben besuchen.
Auf jeden Fall bestärkte er mich in meinen Neigungen, und so streifte ich selbstbewusster denn je durch die Wälder und Stadtparks. Und wie das so ist, wenn man von einem „Quatschsalber“ in seinen Eigenarten positiv bestärkt wird – man wird frecher.
Ich brachte meinen Vater wegen Volksverhetzung in den Knast (Borkenschwuchtel, Rindentunte), verging mich jetzt auch an den süßen kleinen Bonsai-Bäumchen, auch wenn deren Astlöcher zuweilen schmerzhaft eng waren und setzte in den einschlägigen Magazinen wie zum Beispiel „Queer“ Kontaktanzeigen auf, um Gleichgesinnte zu finden.
Ich war fürbass erstaunt, wie schnell und wie viele „Astlöcher“ es gab. Wir trafen uns in einer Baumschule und gründeten eine Lobby. Das musste natürlich gefeiert werden. Und so trieben wir es auf unserer ersten „Bäumchen wechsele Dich-Parade“ auf dem Kudamm vor den Augen unschuldiger Kinder mit unseren Trieben.
Anschließend marschierten wir von Ast zu Ast durch die Institutionen und alsbald war einer unserer Astlocher Bürgermeister von Berlin. Ein zweiter schaffte es sogar bis ins Außenministerium.
Wir blieben zwar eine verschwindende Minderheit, wurden aber immer mächtiger, auch dank der weltoffenen und toleranten Medien. Ich glaube, ich hätte auch nackt eine Sau durchs Dorf treiben können, die Journalisten hätten mir applaudiert und mit Regenbogenfahnen gewunken.
Natürlich gab es auch die Ewiggestrigen, zum Beispiel die sturen katholischen Holzfäller und Tischler, für die ein Astloch eher ein ärgerliches Hindernis darstellte.
Aber mit Hilfe der Politiker und Medien konnten wir sie schnell klein kriegen und in die rechte Ecke stellen, so dass wir noch mehr Platz hatten, uns auszutoben und auszubreiten.
In Kürze werden wir nun eine Großdemo organisieren. Das Motto „Ehe für alle“ wird auch die letzten Widersacher der waldischen Sexualität hinwegfegen. Ich würde natürlich gerne daran teilnehmen, aber ich stecke seit Tagen schon fest. Meine Geliebte, eine junge Trauerweide, will mich einfach nicht mehr loslassen…
*) Der Berufsjournalist Thomas Böhm ist Chefredakteur des Mediendienstes „Journalistenwatch“ und ständiger Kolumnist bei conservo
http://www.conservo.wordpress.com
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