Die Washingtoner Europa- und Eurasienbeauftragte Victoria Nuland traf schon zum zweiten Mal binnen einer Woche in Russland ein. Davor war sie bis Sonntag in Kiew. Was viele Beobachter seitens der Europäischen Union schmerzlich vermissen – eine aktive Pendelpolitik –, praktizieren jetzt die USA.
Nuland spricht unter anderem mit den stellvertretenden russischen Außenministern Sergej Rjabkow und Grigorij Karasin. Wie die US-Botschaft in der russischen Hauptstadt mitteilt, stehen auch Treffen mit der “russischen Zivilgesellschaft” auf dem Programm.
Nuland trifft Helsinkigruppe
Wie die Leiterin der Moskauer Helsinkigruppe, Ljudmilla Alexeewa, mitteilt, trifft sie mit Nuland noch am heutigen Montag zusammen. Einzelheiten zu weiteren Treffen oder zu Gesprächen mit Vertretern der Opposition wurden nicht bekannt. Nach Angaben der russischen Agentur RBK hätten Mitstreiter der Oppositionellen Alexej Nawalnij und Michail Chodorkowski mitgeteilt, sie seien nicht auf ein Zusammentreffen mit Frau Nuland angesprochen worden.
Nuland gilt Moskauer Beobachtern als Expertin für Regime-Change-Szenarien und wesentliche Figurantin der US-Unterstützung beim Sturz des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch Ende Februar 2014. Ihr wird die Aussage – Ende 2013 – zugeschrieben, die USA hätten fünf Milliarden US-Dollar in die „Demokratisierung“ der Ukraine investiert.
Spezialistin für Regime Change
Im Vorfeld des Kiewer Umsturzes war der Mitschnitt eines Telefonats zwischen ihr und dem Kiewer US-Botschafter veröffentlicht worden, in dem sie sich für den ukrainischen Politiker Arsenij Jazenjuk als amerikanischen Wunsch-Premierminister aussprach.
Europäische Bedenken wischte sie dabei mit den Worten „fuck the EU“ vom Tisch. Augenzeugen zufolge soll Nuland in den Putschtagen um den 20. Februar herum persönlich in die Kommunikation der Aufständischen des Maidan eingebunden gewesen sein.
Nuland war bereits am 12. Mai zusammen mit dem US-Außenminister John Kerry nach Russland gekommen und nahm an dem vierstündigen Gespräch Kerrys mit dem russischen Präsidenten Putin in Sotschi teil.
Am Wochenende in Kiew traf sie den ukrainischen Präsidenten Poroschenko, Premier Jazenjuk und Parlamentssprecher Groisman sowie den Vorsitzenden der Fraktion „Oppositioneller Block“ und ehemaligen (unter Viktor Janukowitsch) Chef der Präsidialadministration, Sergej Lewotschkin.
USA wollen sich intensiver einbringen
Die Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine zitiert sie mit den Worten: „Unsere zentrale Botschaft ist die Bereitschaft der USA, sich im Rahmen der Umsetzung aller Punkte der Minsker Vereinbarungen intensiver einzubringen – Sicherheit, politische Fragen und humanitäre Fragen.“
Nuland bestärkte die ukrainische Regierung darin, vor einer Autonomieregelung in den Rebellengebieten Wahlen nach ukrainischem Recht durchzuführen. Dieser auch in den Minsker Vereinbarungen festgeschriebene Punkt wird von vielen Beobachtern in der Ukraine und in Russland als Hemmschuh auf dem Weg zum Frieden angesehen.
Zumal aus Sicht der „Republikführer“ im Donbass haben die dortigen Wahlen im November 2014 legitime Repräsentanten der Bevölkerung an die Macht gebracht, mit denen eine Autonomie verhandelt und vereinbart werden kann. Das Beharren des Westens und der Kiewer Regierung auf einer Revision der Machtverhältnisse im Donbass vor einer politischen Regelung steht dieser Auffassung zufolge einer friedlichen Lösung im Weg.
Die Aktivität der US-Politikerin entspricht im Kern einem Vorschlag des weißrussischen Präsidenten Lukaschenko, der erst kürzlich von der Notwendigkeit eines stärkeren US-Engagements gesprochen hat (DRWN berichtete).
Friedensregelung ohne Bedeutung
Demgegenüber reagieren die Politiker in den „Volksrepubliken“ des Donbass und in Moskau skeptisch. Der Vorsitzende des Volksrats der Donezker „Volksrepublik“, Andrej Purgin, sprach vom Versuch der USA, sich in das „Normandieformat“ zu drängen.
In Moskau kommentierte der Vorsitzende des Duma-Außenausschusses Alexej Puschkow die Reise der Politikerin: Außenminister Kerry sei noch nicht abgereist, da sei Nuland schon eingetroffen. Die Obama-Administration sei offensichtlich besorgt, bei einer Friedensregelung in der Ukraine außen vor zu bleiben.
Moskauer Experten aus dem akademischen Bereich verwiesen darauf, dass den USA in allererster Linie an einer militärischen Deeskalation gelegen sei. Die Tatsache, dass der ukrainische Präsident Poroschenko unterschiedlichen Gesprächspartnern gegenüber unterschiedliche Aussagen mache, habe beide Seiten der transatlantischen Allianz, EU und USA, veranlasst, sich bei ihren Aktivitäten enger abzustimmen.
Innenpolitisch sei eine Friedensregelung im Ukrainekonflikt für die Amerikaner ohne Bedeutung. Präsident Obama sei vor allem daran gelegen, die Eskalation der militärischen Auseinandersetzung zu verhindern. Das sei auch der Grund, weshalb amerikanische Politiker sich in erster Linie auf die Einhaltung des Minsker Abkommens versteiften.
(Bild: U.S. Embassy Moldova, CC BY-ND 2.0 flickr.com)
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